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Die Felswand (I) oder: Urlaubszeit - Urlaubs-Moosprobenzeit!

Im Juli 2000 hatten wir mit dem Journal begonnen und auch bald eine Kurzanleitung  zum Auffinden terrestrischer Bärtierchen vorgelegt, die sich auf deren klassischen Lebensraum, nämlich das Moos beschränkte, ohne weiter ins Detail zu gehen.

Ab 2006 beschrieben wir maritime Bärtierchen samt ihren Fundorten, beispielsweise Echiniscoides sigismundi  von Enteromorpha-Algen am Meeresufer von Lissabon, Batillipes mirus  aus dem Sand der Kieler Föhrde und zuletzt bizarre kroatische Meerestardigraden, wie beispielsweise Florarctus sp. , letztere aus geringfügig tieferem Gewässer.

In diesem Journal finden Sie einige ergänzende Überlegungen und hoffentlich hilfreiche Hinweise zum gezielten Sammeln von terrestrischen Moosproben. Vorab sei der guten Ordnung halber darauf hingewiesen, daß es keineswegs notwendig ist, größere Wüsteneien in der Landschaft zu hinterlassen. Für unsere Zwecke ist ein etwa walnußgroßes Moosvolumen völlig ausreichend. Diese Menge bedeckt problemlos den Boden einer großen Petrischale und sollte ein, für uns ausreichend komplettes Bild der jeweiligen Tardigradenfauna liefern. Bedenken Sie bitte, daß Moose relativ langsam wachsen und allzu gierige Sammler durchaus eine kleine Mooslandschaft auf Jahre hinaus entstellen können.

Wir rekapitulieren kurz: Lohnend sind praktisch immer Moose, die regelmäßig befeuchtet und anschließend wieder von der Sonne ausgetrocknet werden: Moose an den Wänden einbetonierter Bäche und Flußläufe, Moose auf alten Ziegeldächern, Moose auf Stein- und Felsoberflächen. Es ist sicherlich kein Zufall, dass individuelle Bärtierchen-Körpergröße und Artenvielfalt auf der Erdkugel in Richtung auf die Pole zunehmen. Damit die Moose existieren können, sollte es gelegentlich regnen (Taufeuchte alleine kann auch genügen, aber das ist schon wieder ein Sonderfall). Wir dürfen nicht vergessen, daß die Bärtierchen keinen Kreislauf haben und daß ihr Stoffwechsel diffusionsabhängig ist: Sauerstoff löst sich in kaltem Wasser nun mal am besten und eine Prise Wind dient der besseren Durchlüftung. Es soll demnach am Sammelort möglichst nicht durchgehend warm und windstill sein.

Wenn Sie sowieso im Urlaub immer zum Nord- oder Südpol reisen, brauchen Sie nicht weiterzulesen: Dort gibt es Wasser, Wind und Kälte - und von alledem reichlich. Dem Rest der Leserinnen und Leser möchten wir jedoch einen Rat geben:


[ Berggipfel in Österreich ]

Ideales Bärtierchen-Sammelgebiet


Sie können selbst hinaufsteigen, oder - falls Sie es so vorziehen - sportlichere Freunde und Bekannte bitten, die Probenahme jenseits der Baumgrenze stellvertretend für Sie vorzunehmen. Im Detail kann es nämlich schwierig werden. Betrachten Sie beispielsweise folgende Felswand an einem mittelhohen Berglein im Salzburger Land:


[ Felswand in Österreich ]

Ca. 10 m hohe Felswand in Österreich.


In der Detailaufnahme vom oberen Bereich der Felswand mit dem vielen Moos erkennen Sie, daß die Moose keineswegs immer so unklug sind, sich in Passanten-Greifhöhe anzusiedeln. Von unten aus betrachtet sieht es vielmehr fast immer so aus, als seien die vielversprechendsten Moose stets ganz oben an der Wand:


[ Felswand in Österreich, Detail ]

Felswand in Österreich, Detail des obersten Bereichs mit vielversprechenden Moospolstern.


In dieser Situation hilft natürlich auch unser, ansonsten wirklich hilfreicher "Geländer-Moosgreifer" (vom Elektro-Discounter, preiswert, weil für andere Zwecke praktisch unbrauchbar) nicht so recht weiter:


[ Der Moosgreifer ]

Der Moosgreifer für kurze Distanzen, in der Felswandsituation jedoch leider nicht sonderlich hilfreich.


Bevor Sie nun zum Eispickel greifen, sich oder Ihre Freunde in Lebensgefahr bringen: Schauen Sie einfach nach unten - wo oben viel Moos ist, stürzt praktisch immer auch etwas ab, besonders nach Regen und Sturm! Sie brauchen es eigentlich nur noch einzupacken und können sich zudem im Ultra-Öko-Gefühl sonnen: Die Moose wären am Boden genauso verloren und unglücklich geendet wie die innewohnenden Bärtierchen.

Und noch ein Hinweis zum Schluß: Halten Sie insbesondere Ausschau nach großflächig ausgedehnten Mooslandschaften. Diese müssen keineswegs durchgehend flächig bedeckt sein. Es reicht eine "Inselwelt", wie oben im Detailfoto von der Felswand. In dieser kleinen Multi-Kulti-Welt finden Sie erfahrungsgemäß eine große Artenvielfalt und punktuell hohe Individuenzahlen.

Wir werden Ihnen über unsere Funde an der oben gezeigten Felswand in den nächsten Journalen berichten. Bis bald!



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© Text, Fotos und Filme von  Martin Mach