[Titelfragment 1.1] [Titelfragment 1.2] Titelfragment 1.3]
[Titelfragment 2.1] [Titelfragment 2.2] [Titelfragment 2.3]
[Titelfragment 3.1] [Titelfragment 3.2] [Titelfragment 3.3]



Bärtierchen, Gelbe-Rüben-Carotin und das DIY-Raman-Spektrometer (VII)

Den neu Hinzugekommenen sei zum Einstieg dringend empfohlen, die Lektüre beim Februar- und März-Journal 2017 zu beginnen.

Für alle anderen fassen wir kurz unsere Erfahrungen mit den Laser-Longpassfiltern zusammen. Wir erinnern uns: Der Longpassfilter muss den Anregungslaser weitestgehend ausblenden können, die wesentlich schwächeren, erwünschten Raman-Signale bei den längeren Wellenlängen jedoch passieren lassen. Da unser grüner Laser bei einer Wellenlänge von 532 nm anregt, wäre es ideal, wenn der Filter alle Strahlung beispielsweise ab 540 nm, oder sogar noch näher am Laser, etwa ab 535 nm durchlassen würde.
An dieser Stelle wird es jedoch trickreich: Der von uns eingesetzte grüne Laser hat, wie wir gesehen haben, bereits eine eigene Bandbreite von einem Nanometer. Die Filterung wird in der Praxis immer einen Kompromiss erfordern: Billige 535 nm Longpassfilter schaffen es meist nicht, den Laser restlos auszublenden. Dies markiert quasi den spektroskopischen GAU, weil dann wegen der Stör- und Streustrahlung kaum mehr ein brauchbares Ramanspektrum entstehen kann. Im entgegengesetzten Extrem rangieren ebenfalls preiswerte Filter, die erst in einem größeren Sicherheitsabstand vom Laser wieder Strahlung durchlassen, beispielsweise ab 550 nm. Diese Filter funktionieren immerhin, wenn auch etwas grobschlächtig: Ramanbanden werden zwar grundsätzlich gezeigt, unterhalb eines Shifts von ca. 615 cm-1 jedoch vom 550 nm Filter verschluckt. In der Konsequenz können wir bei Benutzung des 550 nm Longpassfilters die Hauptbande von Calcit sehen, nicht jedoch die des Quarzes (vergleiche hierzu Abb. 8 und Abb. 9 unten).

Scharf trennende, bei niedrigen Raman-Shift-Werten sauber schneidende Filter kosten leider reichlich Geld (1.000 € und mehr). Für den Einstieg empfehlen wir deshalb eher einen anspruchsloseren Filter der 100 € Preisklasse, beispielsweise den hier gezeigten:


[ Raman Longpassfilter FEL0550 ]

Abb. 1: Longpassfilter
(Interferenzfilter)
der Firma THORLABS,
Modell FEL0550.
Preis ca. 100 €.



Erst in der zweiten Ausbaustufe entschieden wir uns für eine Kompromisslösung und kauften im Internet einen weiteren Filter, zum von Preis von rund 200 €. Dieser schneidet bei einem Raman-Shift von etwa 350. Die Longpassfilter können zwischen Projektiv und Spektrometer in den Strahlengang eingebracht werden, im einfachsten Fall direkt auf dem Projektiv liegen. Mit dem etwas teureren Filter wurden die folgenden Spektren aufgenommen (weitere technische Anmerkungen finden Sie am Ende dieses Journals):


[ Raman-Spektrum des Carotins ]

Abb. 2: Raman-Spektrum des Carotins aus einer Carotinkapsel vom Drogeriemarkt. Die Kapsel wurde aufgeschnitten, ein wenig Carotin auf einen Objektträger getupft und ein Deckglas aufgelegt - fertig. Aber Vorsicht: Carotin am falschen Ort kann eine ernsthafte Sauerei verursachen. Drei charakteristische Hauptbanden bei Raman-Shift-Werten von ca. 1.006, 1.148 und 1.519 cm-1. Wegen des sehr einfachen Spektrometers sind die Bandenlagen aller hier gezeigten Spektren nicht ganz exakt zu spezifizieren, nur etwa auf plus/minus 5 Wellenzahlen genau. Jedoch erhalten wir auf alle Fälle charakteristische Muster, die sich mit anderen Spektren im Internet gut vergleichen lassen. Carotin ist das ideale Präparat für Einstellarbeiten und zum Üben. Die Banden sind wegen eines Resonanzeffekts mit dem grünen Laser vergleichsweise stark und dementsprechend einfach zu sehen.


[ Raman-Spektrum des Diamanten ]

Abb. 3: Der Klassiker - das Raman-Spektrum des Diamanten. Eine sehr starke Bande bei einem Raman Shift von ca. 1.330. Kommerzielle Spektrometer zeigen dieses Signal innerhalb von Sekundenbruchteilen. Die hier aufgenommenen Rohdiamanten sind sehr klein, im Durchschnitt nur 1 mm groß, deshalb ungemein preiswert und unter dem Steromikroskop wunderschön anzusehen.
Sehr einfaches Übungspräparat.


[ Raman-Spektrum des Zirkons ]

Abb. 4: Ebenfalls einfach aufzunehmen - ein facettierter Zirkon. Man beachte die beiden auffällig starken Banden im Wellzahlenbereich zwischen 2.000 und 3.000.


[ Raman-Spektrum des Vanadinits ]

Abb. 5: Auch einfach - der Vanadinit (ein Bleivanadat), ein klassisches Sammlermineral. Hauptbanden bei Raman-Shift-Werten von etwa 353 und 825.


[ Raman-Spektrum des Krokoits ]

Abb. 6: Ein weiteres, sehr einfach aufzunehmendes Sammlermineral - der Krokoit (PbCrO4). Hauptbanden bei Raman-Shift-Werten von etwa 350 und 833. Der Tipp stammt übrigens von J.M. Derochettes Website (siehe bei den Quellen).


[ Raman-Spektrum des Schwefels ]

Abb. 7: Raman-Spektrum des Schwefels, mit einer starken Bande bei ca. 463 cm-1.


[ Raman-Spektrum von Quarz ]

Abb. 8: Raman-Spektrum eines Quarzsplitters, Hauptbande bei einem Raman-Shift von ca. 458. Deutliches Untergrundrauschen. Anwendungsbeispiel: Erkennung eines Quarzsandkörnchens im Meeresbärtierchen-Meersand.


[ Raman-Spektrum des Calcits ]

Abb. 9: Raman-Spektrum eines Calcit-Einkristalls. Hauptbande bei einem Raman-Shift von ca. 1.080 cm-1 (symmetrische Streckschwingung - Pumpen - des tetraedrischen Carbonat-Ions), außerdem eine schwächere Bande bei ca. 750 cm-1. Deutliches Untergrundrauschen und "Fluoreszenzbuckel". Anwendungsbeispiel: Erkennung eines calcitischen Sandkörnchens im Meeresbärtierchen-Meersand.


[ Raman-Spektrum des Rochariums ]

Abb. 10: Raman-Spektrum unseres "Rochariums" (eines minimalistischen Meerwasseraquariums). Dieses Bärtierchen-Nanoaquarium besteht augenscheinlich aus einem Polystyrol, wovon man sich - zeitgemäß - im Internet eigenäugig überzeugen kann: übereinstimmendes Bandenmuster, unter anderem mit einer klassischen, scharfen Aromatenbande bei einem Raman-Shift von ca. 1.000 sowie aromatischen C-H-Streckschwingungen bei Wellenzahlen über 3.000.


Technische Anmerkungen

Keine Frage, man kann sehr viel mehr Geld und Mühe aufwenden, auch zusätzliche, bei anderen Wellenlängen arbeitende Laser einsetzen. Auf diesem Weg erhält man deutlich professionellere Ergebnisse (siehe Links). Die hier gezeigten Spektren wurden mit vergleichsweise bescheidenen Mitteln aufgenommen:

-- 540 nm Longpassfilter eines uns nicht bekannten Herstellers
-- Low-cost Spektrometer von Science Surplus, 1800er Gitter, 50µm Schlitz
-- Software "Spectrum Studio" V. 1.2, von Science Surplus mitgeliefert
-- Messzeiten im Bereich bis zu maximal einer Minute
-- Eingesetzte Mikroskop-Objektive: Nikon M Plan 10x/0.25 und 40x/0.65

Absolute Genauigkeit und (Wellenzahl-)Auflösung der hier gezeigten Spektren sind relativ niedrig, das Untergrundrauschen teils bereits etwas störend. Trotzdem taugen die Spektren zum Vergleich mit publizierten Entsprechungen im Internet und somit als Hilfe bei der Identifikation unbekannter Substanzen. Die Vorteile der, in den Journalen seit Februar vorgestellten Lösung liegen vor allem im knausrigen Preis und in der Kombination mit dem Auflichtmikroskop.
Mit Hilfe eines 100er Objektivs und der Feldblende des Mikroskops lassen sich auch relativ kleine Objekte, bis hinunter zu etwa 30 µm Durchmesser (Echiniscen-Tönnchen!) analysieren. Als weiterreichende Anwendungsbeispiele im persönlichen Umfeld seien genannt: Analyse von Mineralien und Edelsteinen, der Nachweis von Bleiweiß in alten Fensteranstrichen oder die Identifikation des Kunststoffs einer Tupperware®-Dose, aber eben auch der bereits früher vorgeführte Nachweis des Carotins im roten Bärtierchen und im Moos. Wohl wichtigste Einschränkung: Viele potentielle Probenmaterialien fluoreszieren (senden Störlicht im sichtbaren Wellenlängenbereich) und lassen sich dann nur noch schlecht oder überhaupt nicht mehr messen.


[ Prinsengracht, Amsterdam, Juli 2017 ]

Abb. 12: "Was dem einen sin Uhl, ist dem andern sin Nachtigall".
Mit den Spektrometern verhält es sich so ähnlich wie mit den Verkehrsmitteln. Größer und teurer wird in der Leistung meist besser sein, hilft aber nicht unbedingt bei jeder Anwendung.
Als Metapher: Parkplatz-Szenario an der Prinzengracht in Amsterdam, mit Elektro-Auto und Straßenkreuzer. Kleiner kann gelegentlich klüger sein ... wir kennen das ja von den Bärtierchen!


Internet-Quellen
-- Die grandiose, frei zugängliche "RRuff"-Raman-Spektrendatenbank für Mineralien
-- Exzellente Amateur-Seite von J.M. Derochette zur Raman-Mikroskopie an Mineralien
-- Weitere, hervorragende Amateur-Seite zur Ramanspektrometrie: Uranglasuren.de



Hauptseite


© Text, Fotos und Filme von  Martin Mach