Das Bärtierchen-Journal
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Seliges Schlummern? - Trockenzustand mit Verfallsdatum (II)

Haben Sie sich mal überlegt, wie lange eine Taschenlampenbatterie gelagert werden kann, ohne ihre Funktion zu verlieren? Ein Jahr, fünf Jahre, fünfzig Jahre? Beim Internet-Auktionshaus Ebay haben wir kürzlich eine urige Leuchtlupe mit besonders alten Trockenzellen ersteigert. Wir meinen uns auch zu erinnern, daß die Batterien vor einigen Jahrzehnten tatsächlich mal so ausgesehen haben wie die Ebay-Beute (siehe Foto gleich unten rechts). Und, ob Sie es glauben oder nicht: Diese papageibunten Batterien liefern heute, Ende 2006, immer noch ein helles Licht!


[  Alte Leuchtlupe mit Originalbatterien ] [  Alte Leuchtlupe mit Originalbatterien ]

Alte Leuchtlupe (links). Uralte, immer noch funktionsfähige Originalbatterie (rechts).

Aus unserer Alltagserfahrung wissen wir allerdings, daß eine solche Batterie unter Umständen auch schon nach wenigen Jahren überlagert sein kann und uns dann bestenfalls nur finster anfunzelt. Sehr viel länger als die stromerzeugende Chemie hält sich auf alle Fälle die stählernde Kapsel - wer weiß, vielleicht über Jahrhunderte?

Das delikate Innenleben eines Bärtierchen-Tönnchens ist natürlich unendlich viel komplizierter aufgebaut als unsere Batterie und dementsprechend schwerer zu schützen. Trotzdem können wir den primitiv-mechanistischen Vergleich mit der Batterie bemühen und untersuchen:

--  wie lange die Lebensfähigkeit der Bärtierchen-Tönnchen vorhält
--  und wie lange hinterher noch die ursprünglich lebenserhaltende Hülle
     nachgewiesen werden kann.


In der November-Ausgabe  hatten wir einen besonders spannenden wissenschaftlichen Artikel zur maximalen Dauer der Trockenstarre diskutiert. Dank dieser Publikation erinnerten wir uns an eine eigene Tardigradenprobe, welche seit über vier Jahren im Schrank stand:


[  4 Jahre alte Moosprobe mit Bärtierchen ]

Reich mit Echiniscen besetztes Dachmoos aus Frankreich,
trocken abgenommen im Sommerurlaub 2002, seitdem in der verschlossenen Flasche im Innenraum gelagert.



Natürlich waren wir sehr gespannt, was bei unserer eigenen Moosprobe nach mehr als vier Jahren Trockenzeit herauskommen würde.

Um es gleich vorwegzunehmen: Die Ergebnisse der im letzten Journal vorgestellten Publikation haben sich im wesentlichen bestätigt. Die Überlebensfähigkeit der Bärtierchen nimmt über die Jahre hinweg drastisch ab.
Im ersten Versuch mit einer immerhin eßlöffelgroßen Moosprobe fanden wir unter Hunderten von gewässerten Bärtierchen kein einziges, welches sich bewegte. Ein zweiter, dritter und vierter Versuch zeigten jedoch, daß doch nicht alle Hoffnung verloren ist. Wir fanden insgesamt: Drei kräftig strampelnde Echiniscen, zwei erwachsene, normal fressende Eutardigraden (Ramazzottius oberhaeuseri) und zwei einzeln abgelegte Macrobioten-Eier (wohl Macrobiotus hufelandi), aus welchen im Mikroaquarium noch Jungtiere schlüpften!

In Prozenten ausgedrückt liegt die Überlebensrate allerdings sehr nahe an Null.
Trotzdem: die Population der Bärtierchen würde so weiterbestehen.

Das Wiederaufleben nach so langer Zeit war deutlich als eine mühselige Angelegenheit erkennbar: Während über Nacht eingetrocknete Bärtierchen unter Umständen schon nach 5 Minuten Wässern wieder beweglich sind, verharrten unsere lang gelagerten Tardigraden viele Stunden im gestreckten, asphyktischen Zustand und erwachten, wenn überhaupt, allesamt erst nach vielen Stunden oder am nächsten Tag. Bei den Echiniscen stellten wir fest, daß die Schnauzen auch nach zwölf Stunden noch nicht völlig ausgestreckt waren, obwohl sich die Tiere ansonsten normal bewegten:


[ Hydrobiologia Titel ]

Nach über vier Jahren Trockenstarre zum aktiven Leben zurückgekehrtes Echiniscus-Bärtierchen. Körperlänge ca. 0,3 mm.


[ Hydrobiologia Titel ]

Gleiches Tier wie oben, jedoch andere Fokusebene. Deutlich erkennbar: eine Querfalte unter der immer noch nicht völlig ausgestreckten Schnauze.


Bei den übrigen Moosbewohnern ergab sich ein gemischtes Bild. Lebendige Amöben und Nematoden sahen wir keine, aktive Rädertierchen jedoch in großer Zahl.

Nachdem wir nach vier Jahren Trockenzeit immerhin noch fündig geworden sind, wollen wir in der nächsten Ausgabe untersuchen, ob sich im Moosherbar des Eichstätter Frater Erhard von 1925 noch etwas finden läßt. Bis bald.


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© Text und Fotos von  Martin Mach