Das Bärtierchen-Journal
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Maritime Bärtierchen (IV)

Normalerweise befassen wir uns hier nur mit den allerkleinsten Wirbellosen. Es schadet jedoch sicherlich nicht, wenn wir uns gelegentlich einen vergleichenden Blick über den Tellerrand gönnen. Wohl jeder Mensch mit etwas Hirn und ein wenig Gefühl im Bauch wird angesichts des unten gezeigten Bildes ins Grübeln kommen. Es schreit geradezu: "Wir sind nicht allein!".


[ Riesenkalmar ]

Abbildung: Das Kriegsschiff Alecton begegnet einem Riesenkalmar
Die spektakuläre Begegnung des französischen Dampf-Kriegsschiffes Alecton mit dem gezeigten Ungeheuer am 30. November 1861, gegen 14 Uhr, ist durch den Kapitän Bouyer glaubwürdig bezeugt und Gegenstand eines offiziellen Militärberichts. Bouyer gab als Körperlänge des Tiers 5 bis 6 Meter an (ohne Tentakel). Seine Masse schätzte er auf ca. 2.000 kg. Während des oben illustrierten Bergeversuchs durchschnitt das Seil den Rumpf des Kalmars, worauf dieser im Meer versank. Falls Sie in Französisch fit sind: einen faszinierenden, detaillierten Bericht zum Vorfall finden Sie hier . Kenner des Wissenschaftsbetriebs werden sich nicht wundern, daß damals einschlägig spezialisierte Zoologen argumentierten, so ein Tier wäre eigentlich gar nicht existenzfähig. Immerhin räumte der Bericht ein für alle Mal mit der Fehleinschätzung auf, ein krakenartiges Lebewesen könne maximal ein oder zwei Meter groß werden, alles andere sei Seemannsgarn.


Wieder einmal offenbart sich der typische Umgang des hochwohlgeborenen  Homo sapiens  mit seinen Schöpfungsnachbarn. Überflüssig zu erwähnen, daß man dem Kalmar anläßlich des zufälligen Zusammentreffens zunächst vorsichtshalber ein Dutzend Kugeln in den Kopf jagte, bis er "Blut und klebrigen Schleim spuckte".

Die großen, traurigen Augen unter dem Wasserspiegel gehören einem, wie man heute weiß, hochentwickelten und intelligenten, äußerst kommunikationsfähigen Lebewesen, dem die Schöpfung im Hinblick auf seinen Lebensweg verdammt wenig Wahlmöglichkeiten gelassen hat: Nach dem zwangsläufig kontinuierlichen Töten zum Aufbau einer immensen Körpermasse folgt nun das genauso zwangsläufige Sterben, der gemeinsame Nenner aller irdischen Existenzen.

Der Riesenkalmar  Architeuthis  zählt zu größten Wirbeltieren. Je nachdem wie man mißt und argumentiert, ist er vielleicht das größe wirbellose Lebewesen überhaupt, während das Bärtierchen zweifelsfrei zu den kleinsten Wirbellosen zählt. Es sind sozusagen artverwandte Lebewesen in extrem unterschiedlichen Dimensionen. Es gibt aber noch mehr Parallelen. Beide leben in Welten, die dem Menschen nicht ohne weiteres zugänglich sind und beide haben spektakuläre Eigenschaften, von denen wir hier nur eine herauspicken wollen: Riesenkalmar und Batillipes-Bärtierchen könne sich beide unverrückbar fest an nassen, glitschigen Objekten festhalten. Der Riesenkalmar hat Saugnäpfe und manchmal wird behauptet, auch das Batillipes-Bärtierchen hätte Saugnäpfe. So ganz stimmt das aber nicht. Der Kalmar zieht in seinen Saugnäpfen per Muskel regelrechte Vakuumkolben hoch, wie bei einer Luftpumpe. Das Batillipes-Bärtierchen hat jedoch in seinen Zehen keine Muskeln, die Vergleichbares leisten könnten. Ferdinand Richters, der Entdecker der Gattung grübelte auch schon über den fest zupackenden Haftfuß nach und brachte dies auch in der Gattungsbezeichnung zum Ausdruck: Er taufte den ersten Vertreter der Gattung Batillipes mirus, was soviel bedeutet wie "Schaufelfuss, wunderbarer" (kommt vom Lateinischen vatillis ~ batillis ~ Schaufel).


[ Batillipes Bärtierchen, Haftlappen ]

Batillipes sp.-Bärtierchen, Bein mit Haftlappen.

Betrachten Sie doch ganz einfach den kleinen Film unten, der zeigt, wie das Batillipes Bärtierchen seinen, auf dem nassen (!) Objektträgerglas (!) fest haftenden, Fuß mit deutlicher Anstrengung abzieht und überlegen Sie sich, welcher Mechanismus dahinterstecken könnte. Wir zeigen im nächsten Journal ein klärendes Mikrofoto.


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© Text und Fotos von  Martin Mach