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Finis Ramanii

Im März-Journal 2017 hatten wir gesehen, dass sich mit Hilfe des Eigenbau-Raman-Mikroskop-Spektrometers ein Carotin-Nachweis am roten Bärtierchen-"Tönnchen" ausführen lässt. Auch in der Hauptnahrungsquelle der Echiniscen, dem Moos, war das Carotin neben dem dominierenden Chlorophyll spekroskopisch erkennbar.

Das folgende Untersuchungsobjekt ist nun nicht ganz so ernst zu nehmen. Es dient eher als Vorwand, um hier noch ein paar abschließende Tipps für die Raman-Messpraxis zu geben: Wir werfen einen ramanspektroskopischen Blick auf das "Kaiyodo Takara" Bärtierchen-3D-Modell, welches hier bereits im Mai 2014 vorgestellt wurde.



[ Tardigraden 3D-Modell unter dem Raman-Mikroskop-Spektrometer ]

Abb.1: Spektroskopische Verirrung - das "Kaiyodo Takara" Bärtierchen-3D-Modell unter dem Raman-Spektrometer-Mikroskop. Das grüne Laserlicht wird von oben, durch das Mikroskopobjektiv hindurch, auf das Untersuchungsobjekt fokussiert. Rückgestreutes Laserlicht mit den objektspezifischen Ramansignalen passiert wieder das Mikroskopobjektiv und wird weiter oben im Mikroskop, mit Hilfe eines Spektrometers ausgewertet.

Nun, so wie im Bild oben könnte man es versuchen. Leider ergibt sich bei dieser Präparation kein nutzbares Spektrum - weil die liebevoll eingefärbten Plastik-Innereien des Modells das uns interessierende Nutzsignal breitbandig durch Fluoreszenz überstrahlen. Es erfordert deshalb etwas Geduld und Kreativität, das Modell so in den Strahlengang zu drehen, dass die farbigen Bereiche vom Laser nicht mehr so stark angeregt werden können. Auf diese Weise erhalten wir dann tatsächlich ein Spektrum (das nur noch zu interpretieren wäre :-):


[ Raman Spektrum des Kunststoff-B&aumlrtierchenmodells ]

Abb. 2: Raman-Spektrum des farblosen Gießharzes, aus dem das "Kaiyodo Takara" Bärtierchen-3D-Modell besteht. Die Interpretation ist in diesem Fall nicht trivial. Das Gießharz enthält wohl keine aromatischen Ringe mit Wasserstoffatomen, sonst wären im Spektrum sogenannte C-H-Streckschwingungen bei Wellenzahlen jenseits von 3.000 zu sehen (man vergleiche hierzu das Polystyrol-Spektrum im letzten Journal). Jedenfalls kein PMMA und auch kein Polystyrol. Die "Esterbande" bei einem Raman Shift von etwa 1.720 sowie die bildliche Übereinstimmung mit professionelleren Spektren im Internet weisen in Richtung eines Polyesterharzes. Leider gibt es reichlich synthetische Polymere, die Estergruppen im Molekül beherbergen ...


Praktische Messhinweise für alle, die noch selbst mitmischen wollen

(1) Die Funktionstüchtigkeit des experimentellen Aufbaus sollte regelmäßig durch ein stark reagierendes Testpräparat überprüft werden. Auf einen Objektträger aufgestrichenes und ganz normal mittels Deckglas geplättetes Carotin (aus dem Drogeriemarkt) ist unserer Ansicht nach ideal. Man notiere die am Testpräparat erzielten Intensitätswerte. Wenn später eine Messung partout nicht funktionieren will, kehrt man einfach zum Testpräparat zurück und überprüft mit diesem die Justage des Laserstrahlengangs. Raman-Spektroskopie funktioniert nur dann, wenn die Laserenergie knallhart konzentriert und fokussiert wird. Nota bene: Bereits ein wenig daneben ist hier leider voll daneben!

(2) Die typischen Gesamt-Messzeiten mit dem hier beschriebenen Setup liegen bei etwa 20 Sekunden bis zu einer Minute, könnten sich beispielsweise aus 10 Messungen zu jeweils 6.000 Millisekunden aufsummieren. Den Hintergrund muss man bei der von uns genutzten "Spektrum Studio" Software vorab und unter vergleichbaren Bedingungen messen (alles identisch, aber mit ausgeschaltetem Laser). Nur auf diese Weise kann eine saubere Differenzbetrachtung erfolgen, die das gemessene Spektrum von Störungen befreit. Bei teurerer Software erfolgt der Hintergrundabgleich automatisch oder durch Software-Anweisungen an den Operator.

(3) Längere Einzelmesszeiten - bei uns ab ca. 6.000 Millisekunden - können "Pixelnervosität" bedingen: Einer oder mehrere Messkanäle im Spektrum laufen dann nach oben oder unten davon und zerstören somit das spektrale Bild. Ursache ist vermutlich die punktuell zu starke Auslastung des bei uns ungekühlten Detektors. In der Konsequenz können wir eine Einzelprobe nicht beliebig lange messen, während professionelle Anwender gelegentlich mit Messzeiten von Stunden operieren und dann dementsprechend bessere Empfindlichkeiten erzielen.

(4) Das Laserlicht ist nicht nur für den Operator potentiell gefährlich. Es kann auch das Präparat zerstören. Für lebensaktive Kleinorganismen deshalb unmoralisch, für Mineralien unproblematisch.


Die Thema Raman-Spektroskopie wäre somit erledigt. Siehe oben: Finis Ramanii!



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© Text, Fotos und Filme von  Martin Mach