[Titelfragment 1.1] [Titelfragment 1.2] Titelfragment 1.3]
[Titelfragment 2.1] [Titelfragment 2.2] [Titelfragment 2.3]
[Titelfragment 3.1] [Titelfragment 3.2] [Titelfragment 3.3]

Die Leserstatistik zur April-Ausgabe mit bis zu 1000 Klicks pro Tag war einfach traumhaft. Danke auch für die vielen aufmunternden E-Mails! Natürlich stellt sich gerade in solch trügerischen Momenten vermeintlichen Erfolgs die Frage, wie es weitergehen soll. Schon lauert er, der tückische, der miese Quotenabsturz ...
Das Bärtierchen-Journal soll natürlich in erster Linie unterhalten, trösten, erfreuen und -wenn überhaupt- höchstens unterschwellig, quasi einschleichend weiterbilden. In Anbetracht der großen Leserschaft können wir es uns nun allerdings erlauben, wieder mal ein etwas spröderes Thema anzugehen.

In diesem Monat beginnen wir mit der Anatomie der Bärtierchen.
Wieviel Anatomie-Kenntnisse wollen und brauchen wir als Mikroskopie-Amateure? Im Gespräch mit unseren Mitmenschen erfreuen wir uns ja auch primär an deren Lebendigkeit, den Bewegungen, den Gesten und der Ausdruckskraft. Wer interessiert sich in diesen Momenten schon für die Knochen-Feinstruktur oder den Blutkörperchen-Durchmesser seines Partners? Wer würde seinen Hund in Streifen schneiden wollen, um ihn genauer zu studieren? Ich möchte deshalb hier im Bärtierchen-Journal vor allem diejenigen Körper-Details zeigen, welche wir alle durch das Mikroskop am quicklebendigen Tier selbst studieren können.

Was sehen Sie zum Beispiel hier unten im Bild?


[Echiniscus-Beinpaar]

  Echiniscus-Bärtierchen, Zeit: 00 Sek.
  Detail: Hinterleib mit letztem Beinpaar (1).
  Ansicht von oben. Bildbreite ca. 100 µm

Richtig - ein Bärtierchen-Hinterteil. Was uns in diesem Moment aber in erster Linie interessieren soll, ist das hintere Beinpaar. Ein Vergleich des linken und rechten Beins zeigt, daß wir es mit einem Wasserbewohner zu tun haben: Er kann entweder seine Krallen stromlinienförmig ausrichten, wie beim linken Bein, oder aber, wie beim rechten Bein, mit seinen Schwimmhäuten Wasser schaufeln. Das hilft, wenn man in einem vergleichsweise dichten Medium leben muß und trotzdem vorwärts kommen will. Wenn Sie jetzt noch einmal einen Blick in die Filmgalerie II  werfen, können Sie sich vielleicht besser vorstellen, wie der Wasserbär mit seinem vorderen Beinpaar rudert, obwohl es ja wirklich nur andeutungsweise zu sehen ist!

Vielleicht ist Ihnen im Bild oben noch ein Detail aufgefallen: Eine feine Spitzenmanschette schmückt die Rückseite des linken (und auch die des rechten) Beines!
Handelt es sich hier um ein Dekor, vielleicht doch eher um eine Waffe, oder dient die Manschette schlicht und einfach dazu, lästiges Wassergemüse wirksam von den Beinen abzustreifen? Achten die Wasserbär-Männchen auf derartige Details? Können die überhaupt so gut sehen? ... wir wissen es nicht so genau.

Vier Sekunden später (unten): Der Wasserbär kann nicht nur seine Klauen bewegen, sondern auch sein Bein teleskopartig bis zur Spitzenmanschette einziehen:


[Echiniscus-Beinpaar]

  Echiniscus-Bärtierchen, Zeit: 04 Sek.
  Detail: Hinterleib mit letztem Beinpaar (2)

Möglicherweise wird die Zackenmanschette in diesem Moment wirksam. Man könnte sich z.B. vorstellen, daß sie, ähnlich wie ein Spike-Reifen, ein seitliches Abrutschen des Beins vom Untergrund verhindert.

Wiederum einige Sekunden später gibt das Bärtierchen ein weiteres Detail preis: Es zeigt uns einen richtigen Muskel, hier im völlig entspannten Zustand (graue Kreismarkierung).


  Echiniscus-Bärtierchen, Zeit: 08 Sek.
  Detail: Hinterleib mit letztem Beinpaar (3)


Wollen Sie das Muskelspiel in Aktion  sehen? Dann klicken Sie einfach auf das obige Bild (avi-Animation, 1 Megabyte, dauert ein bißchen).

Nun haben wir immerhin einige erste, anatomische Details gesehen. Weil wir nichts kaputt gemacht haben, kann uns auch niemand Wurmschnippler nennen. Bis zum nächsten Mal. In der Juni-Ausgabe werden wir sehen, womit die Bärtierchen essen. Neugierig? Hoffentlich!


Literaturverweise

Auch bei der Bärtierchen-Muskulatur hat Bärtierchen-Forscher Ernst Marcus, obwohl er "nur" über ein Lichtmikroskop verfügte, schon sehr früh eindrucksvoll viel gesehen und abgebildet.
Ian M. Kinchin und besonders Hartmut Greven erläutern die seit Marcus erzielten Forschritte bei der Untersuchung der Feinstruktur der Bärtierchen-Muskulatur, vor allem anhand von rasterelektronenmikroskopischen Ergebnissen.

Ernst Marcus: Tardigrada. S. 8 - 9. Berlin 1936.

Hartmut Greven: Die Bärtierchen. S. 26 - 29. Neue Brehm-Bücherei, Wittenberg, 1980.
(Anmerkung des Verfassers: Wir alle hoffen auf eine zweite Auflage!)

Ian M. Kinchin: The Biology of Tardigrades. S. 48 - 50. Portland Press, London 1994.



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© Text und Mikrofotos von  Martin Mach