Das Bärtierchen-Journal
[Titelfragment 1.1] [Titelfragment 1.2] Titelfragment 1.3]
[Titelfragment 2.1] [Titelfragment 2.2] [Titelfragment 2.3]
[Titelfragment 3.1] [Titelfragment 3.2] [Titelfragment 3.3]

"Zeige mir Deinen Bauch - und ich sage Dir was Du frißt"

Bei den Bärtierchen nimmt, wie wir bereits früher hier im Bärtierchen-Journal gesehen haben, mit zunehmendem Alter der Leibesumfang zu, obwohl die meisten rein pflanzlich, d.h. ausgesprochen fettarm leben.
Hin und wieder finden sich in der Fachliteratur allerdings auch deutliche Hinweise auf fleischfressende Bärtierchen, meist in Verbindung mit dem abschwächenden Hinweis, daß dieses Verhalten atypisch sei.

Schon zu Anfang des 20. Jahrhunderts hat sich jedoch der Frankfurter Bärtierchenforscher Ferdinand Richters darüber beklagt, wie selten man ein Bärtierchen beim Fressen beobachten könne.
Wie sollen wir nun angesichts des ohnehin seltenen Freßvorganges dieses, noch dazu atypische, Fleischfresser-Verhalten nachweisen?

Ganz einfach: Wir können den Bärtierchen nicht nur auf den Bauch, sondern problemlos auch  in den Bauch  schauen. Dies kann ganz sanft geschehen, in einigen Fällen sogar ohne das Tier selbst zu behelligen.

Wenn wir nach Fleischfressern Ausschau halten, werden wir naheliegenderweise zunächst bei  Milnesium tardigradum  suchen, aber auch bei den großen   Macrobioten  . Wir zeigen am Beispiel eines Münchner Milnesium tardigradum, was es dabei zu entdecken gibt:


[ Milnesium-Bärtierchens ]

Großes Milnesium-Bärtierchen von einer Isarbrücke in München. Körperlänge insgesamt knapp 700 µm.

Der Weg der Nahrung von der Mundöffnung (links unten) in die kurze, breite Speiseröhre, durch den birnenförmigen Kaumagen, den extrem kurzen, schlauchförmigen Ösophagus in den großen Darmbereich ist nachvollziehbar.


Wie schon angekündigt schauen wir nach, was das auffällig große und anscheinend gut genährte Tier gefressen hat:


[ Darminhalt eines Milnesium-Bärtierchens ]

Darminhalt des oben gezeigten Milnesium-Bärtierchens. Fast bildfüllend zu sehen ist der mittlere Körperabschnitt des Bärtierchens mit dem Großteil des Darmes. Nach links führt der Oesophagus weg (dünnere Zuleitung vom Kaumagen). Die rot markierten Objekte werden weiter unten im Text erläutert. Bildbreite ca. 400 µm.

Bei den beiden, oben mit den roten Pfeilen gekennzeichneten, rundlichen Objekten handelt es sich mit Sicherheit um unverdauliche Reste von Rädertierchen. Die Form der hier vorliegenden Rädertierchen-Kaumägen ist sehr charakteristisch [siehe Abb. unten links].
Darüberhinaus hat "unser" Milnesium-Bärtierchen quasi noch einen Kollegen aus dem gleichen Stamm gefressen, und zwar mit Haut und Haar (rote Kreismarkierung)! Man erkennt die unverdaulichen Reste eines sehr, sehr kleinen Bärtierchens. In den weiteren Detailaufnahmen unten zu sehen sind die Klauen [mittleres Bild], die Speiseröhre und die sogenannten Macroplacoide [rechtes Bild] aus dem Mundapparat des vergleichsweise winzig erscheinenden Opfers. Gefressen worden ist hier vermutlich ein junges Hypsibius(Ramazzottius)-Bärtierchen, welches allem Anschein nach als Ganzes(!) durch die Mundröhre des Räubers eingesaugt worden sein muß.


[ Tardigraden: Darminhalt eines Milnesium-Bärtierchens ] [ Tardigraden: Darminhalt eines Milnesium-Bärtierchens ] [ Tardigraden: Darminhalt eines Milnesium-Bärtierchens ]

Detail Darminhalt: Kaumagen eines Rädertierchens

Detail Darminhalt: Klauen eines sehr kleinen Bärtierchens

Detail Darminhalt: Zugehörige Speiseröhre und Macroplacoide des sehr kleinen Bärtierchens


Im übrigen können wir uns leicht davon überzeugen, daß die Mehrzahl der Bärtierchen, insbesondere die kleineren und jüngeren, reine Pflanzenfresser sind. Am einfachsten funktioniert das bei den Echiniscen, welche uns ihre Speisereste sozusagen auf dem Tablett servieren:


[ Echiniscus Bärtierchen, Darminhalt ]

"Müllsack" eines Echiniscus-Bärtierchens.
Damit das Gelege nicht kontaminiert wird, wirft das Bärtierchen während der  Häutung   quasi einen sauber abgepackten Beutel weg, welcher die Reste seiner Nahrung enthält. Bei den Echiniscen werden wir darin nie erkennbare Überreste anderer Tiere finden - weil sie in erster Linie pflanzliche Vitamin-Cocktails trinken.
Länge des abgebildeten Objekts
ca. 100 bis 150 µm.


Literaturhinweise zum Thema "Fleischfresser":
Ernst Marcus: Zur Ökologie und Physiologie der Tardigraden.
Zoologische Jahrbücher / Abteilung für allgemeine Zoologie. Band 44 (1928). Phys., S. 329-330.


Hauptseite



© Text und Fotos von  Martin Mach