Das Bärtierchen-Journal
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Ein Liebhaber von Seerosen: auf der Spur von Dactylobiotus dispar

Vielleicht führt Sie ja einer Ihrer Herbstspaziergänge an einen Teich. Am besten wäre ein Teich mit romantisch vergammelnden Seerosen.


[ Seerosen ]

Seerosenblätter in unterschiedlichen Herbstfarbtönen.


Seerosenblätter werden von manchen Tardigraden als Lebensraum bevorzugt. Lassen Sie die grünen Blätter bitte unbedingt in Frieden und ziehen Sie sich ein einzelnes loses, weitgehend vermodertes Blatt, oder auch nur einen kleinen Teil davon, an Land. Genauso wie manche Gourmets den Käse in seiner absoluten Endphase zu schätzen wissen, werden Sie zuhause am Mikroskop die unbestreitbaren visuellen Vorzüge des Verrottens schätzen lernen. Schon bei moderater Vergrößerung kann so ein Seerosenblatt mit einem feinen Gemälde locker gleichziehen:


[ Seerosenblatt, Rückseite ]

Rückseite eines verrottenden Seerosenblattes. Geradezu kitschig schön.

Bildbreite ca. 2 mm.


Wir begeben uns nun auf die Suche nach typischen Süßwasser- Tardigraden wie Hypsibius dujardini und Dactylobiotus dispar.
Die Jagd unter dem Stereomikroskop ist nicht einfach, vielleicht ähnlich schwierig wie in einem dieser "Wo ist Walter?"-Kinderbücher, deren Bild-Detailfülle wohl schon so manchen Erwachsenen in den Wahnsinn getrieben hat. Die Bärtierchen krallen sich nämlich auf der Blattoberfläche fest und werden durch die komplexen Blattstrukturen gut getarnt.
Andere, spektakuläre Organismen treten zahlenmäßig in den Vordergrund und lenken uns ab. So lebt z.B. das prächtige Rädertierchen Stephanoceros mit seinem eindrucksvollen Fangapparat ebenfalls gerne auf den Seerosenblättern.


[ Stephanceros fimbriatus ("Fransenkrone")]

Rädertierchen Stephanoceros fimbriatus ("Fransenkrone") von einem Seerosenblatt. Der Fangapparat besteht aus fünf Armen, welche eine Art Käfig bilden.
Bildbreite ca. 0,5 mm.


Immer wieder stoßen wir auf Wasserflöhe, die mit scheinbar unendlicher Energie über die bunten Oberflächen flitzen.


[ Seerosenblatt Wasserfloh ]

Wasserfloh auf Seerosenblatt (1).


[ Seerosenblatt Wasserfloh ]

Wasserfloh auf Seerosenblatt (2).


Trotz der romantischen Farben geht es manchmal recht brutal zu. Besonders die fleißigen Wasserflöhe nähren andere, größere und stärkere, jedoch meist eher träge Organismen. Das klingt ein wenig nach den sozialen Beziehungen bei Homo sapiens, aber wir wollen hier nicht allzu plump politisieren.


[ Hydra verschlingt Wasserfloh ]

Hydra (Süßwasserpolyp) auf der Unterseite eines Seerosenblattes, welche soeben einen Wasserfloh verschlingt. Im nächsten Journal werden wir sehen, daß auch die Bärtierchen von diesen dramatischen Vorgängen indirekt profitieren können.


Schließlich haben wir, nach längerem Suchen, dann doch unseren ersten Dactylobiotus dispar-Wasserbären auf dem Seerosenblatt gefunden. Wahrscheinlich hätten wir ihn glatt übersehen, wenn er weniger gefressen hätte. Lediglich sein Darminhalt hebt sich deutlich vom Untergrund ab. Hat man erst mal einen gesehen, so finden sich die anderen leichter - gelernt ist gelernt.


[ Dactylobiotus dispar auf Seerosenblatt ]

Bärtierchen Dactylobiotus dispar,
auf Seerosenblatt laufend. Körperlänge ca. 400 µm.


Sie werden nun vielleicht fragen, wieso ausgerechnet dieser blasse, weißliche Schatten als Dactylobiotus dispar zu identifizieren ist.
Das werden wir in der nächsten Ausgabe des Bärtierchen-Journals (Dezember 2004) ausführlich diskutieren.


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© Text und Fotos von  Martin Mach