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| Moospolster in der Bärtierchen-Hochhausansicht
Von den wunderbaren Eigenschaften der obenauf sprießenden Glashaare war schon die
Rede. Sie werden in der Fachliteratur als vorgeschaltetes Wasserrückhaltesystem
interpretiert. In dieser äußersten Zone lebt es sich vergleichweise riskant,
weil sie sogar für viel größere Organismen von außen her noch
sehr gut zugänglich ist. Freßbares gibt es nur wenig. Die Glashaare
dürften kulinarisch in etwa einem Zeitungspapier entsprechen, sind dementsprechend
schwer verdaulich. Man wird deshalb hier nur ausnahmsweise (verzweifelte und verirrte) Bärtierchen finden.
Natürlich hätten wir es nun sehr gerne, wenn unsere Bärtierchen
sozusagen auf der grünen Weide, in der photochemisch maximal aktiven und visuell
attraktivsten Mooszone grasen würden. Man findet sie hier auch tatsächlich,
jedoch meist nur in geringer Zahl. Vielleicht liegt es an den hier noch zu glatten
Oberflächen der Moos-Zellwände, die wenig Pollen und andere verwertbare
Nährstoffe halten können und überdies einem kräftig zubeißenden
Bärtierchen paroli bieten können?
Moose haben keine eigenen vertikalen "Wasserleitungen", die eine
dauerhafte Versorgung aus dem Boden gewährleisten könnten.
Das Braun der inneren Mooszonen ist gut geeignet, uns an die Tatsache zu erinnern,
dass es hier gelegentlich recht trocken werden kann. Aber plötzlich auch
tropfnass - insgesamt ideal für die Bärtierchen.
Die Wasserfilm-Nachbarn in den hier, quasi im Braunen, sporadisch anzutreffenden
Feuchtezonen - Nematoden, Schalenamöben, Rädertierchen -
sind allesamt eher unproblematische Mitbewohner, die primär
ihrem eigenen Kleinverzehr nachgehen und dabei nur selten nach links oder rechts schauen.
Massenmordende Nematoden entspringen der lebhaften Phantasie mancher Autoren -
unter dem Mikroskop konnten wir bislang keine einzige Nematodenattacke auf ein
Bärtierchen beobachten. Eine Amöbe könnte wohl nur einem
sehr kranken, sehr alten oder vielleicht betrunkenen Bärtierchen gefährlich werden.
Und die Rädertierchen sind klein, zu klein um sich an ein Bärtierchen heranzuwagen.
Ganz im Gegenteil, sie werden von größeren Bärtierchen gelegentlich
angefallen und dann gnadenlos ausgezuzelt.
Insgesamt sollten wir jedoch von einer eher friedlichen dreidimensionalen Weide ausgehen,
auf dem sich viel kleines Leben abspielt, wobei Interaktionen aller Art die
Ausnahme sind. Die Bärtierchen können hier, wegen der rauheren und
stärker zerklüfteten Oberflächen gut vertikal hin- und herwandern.
Zwischen den Moospflänzchen findet sich zudem allerlei leicht zu zerkleinernde und
leichter aufschließbare Nahrung.
Und hier, ganz unten, im Bereich der Rhizoide wird es zu naß, zu dicht,
zu sauerstoffarm, schlichtweg ungemütlich. Nur ausnahmsweise mag noch
ein gangbarer Hohlraum bis zum Untergrund (meist eine Steinfläche)
hinabreichen und dementsprechend nutzbar sein. In der Regel werden Sie
jedoch im Bereich der Rhizoide keine Bärtierchen mehr finden.
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