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[Titelfragment 2.1] [Titelfragment 2.2] [Titelfragment 2.3]
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Wege zum Moos (III)

Moose haben viele Feinde: Ein weltweit bekannter Hersteller klassischer Kleingärtner-Chemieprodukte fasste die wesentlichen Eigenschaften der Moose aus seiner Sicht völlig ausreichend zusammen wie folgt:

Die Moose - Schadwirkung: Verschmutzung, Materialschäden, Rutschgefahr!

Nun ja, was soll man schon anderes sagen, wenn unzählige, leider noch unverkaufte Fläschchen mit gebrauchsfertigem Moosentferner im handschmeichelnden Pumpspray-Design auf Halde liegen? Angesichts dieser, im Motiv durchaus nachvollziehbaren, jedoch vielleicht etwas hartherzigen Charakterisierung der wesentlichen Mooseigenschaften liegt es nun an uns, im Gegenzug auch mal etwas Positives vorzubringen.

Zunächst wäre wohl die wunderschöne, im Idealfall halbkugelförmige Geometrie vieler Moospolster zu nennen, die sich aus dem Existenzkampf ergibt. Nicht nur aus dem Existenzkampf gegen unermüdliche menschliche Pflasterritzenputzer in nachbarschaftlichem Wettstreit; nein, vielmehr aus der Notwendigkeit, selbst geringste Tau- und Regenwassermengen möglichst ausgiebig zu nutzen und zu verteidigen. Das Wasser kommt nämlich in erster Linie von oben, über nennenswerte Wurzeln verfügen die Moose nicht.


[ Grimmia Moos ]

Grimmia pulvinata Moospolster, angeschnitten. Bildbreite knapp 2 cm.

Seriöse Dachziegelhersteller - und davon gibt es viele - weisen heutzutage darauf hin, daß ein moderater Moosbewuchs auf unseren Dächern durchaus tolerabel ist, vor allem weil die Moose allesamt nur sehr dünne Wurzeln tragen, sich kaum in den Untergrund eingraben und diesen deshalb nicht ernsthaft schädigen. Anders sieht es natürlich aus, wenn das Regenwasser nicht abgeleitet wird und sich ein dementsprechend muffiges Milieu bildet. Dort fühlen sich übrigens auch unsere Bärtierchen nicht wohl.


[ Grimmia Rhizoide ]

Diesen ultrafeinen Moos-"Wurzeln" (den sogenannten Moosrhizoiden) an der Unterseite der Moospolster kann man bei nüchterner Betrachtung sicherlich kein nennenswertes Schadenspotential zuschreiben. Bildbreite: wenige mm.


Das wichtigste Argument für die Moose aus unserer Sicht liegt natürlich auf der Hand. Wo viele Moose sind, leben auch dementsprechend viele Bärtierchen! Und wer alles ausrupft und wegstrahlt, begeht - sei es nun bewußt oder unbewußt - einen Mikro-Massenmord an unzähligen, wirklich harmlosen Kleinlebewesen.



[ Grimmia pulvinata Hochhaus ]

Moospolster in der Bärtierchen-Hochhausansicht

Von den wunderbaren Eigenschaften der obenauf sprießenden Glashaare war schon die Rede. Sie werden in der Fachliteratur als vorgeschaltetes Wasserrückhaltesystem interpretiert. In dieser äußersten Zone lebt es sich vergleichweise riskant, weil sie sogar für viel größere Organismen von außen her noch sehr gut zugänglich ist. Freßbares gibt es nur wenig. Die Glashaare dürften kulinarisch in etwa einem Zeitungspapier entsprechen, sind dementsprechend schwer verdaulich. Man wird deshalb hier nur ausnahmsweise (verzweifelte und verirrte) Bärtierchen finden.


Natürlich hätten wir es nun sehr gerne, wenn unsere Bärtierchen sozusagen auf der grünen Weide, in der photochemisch maximal aktiven und visuell attraktivsten Mooszone grasen würden. Man findet sie hier auch tatsächlich, jedoch meist nur in geringer Zahl. Vielleicht liegt es an den hier noch zu glatten Oberflächen der Moos-Zellwände, die wenig Pollen und andere verwertbare Nährstoffe halten können und überdies einem kräftig zubeißenden Bärtierchen paroli bieten können?


Moose haben keine eigenen vertikalen "Wasserleitungen", die eine dauerhafte Versorgung aus dem Boden gewährleisten könnten. Das Braun der inneren Mooszonen ist gut geeignet, uns an die Tatsache zu erinnern, dass es hier gelegentlich recht trocken werden kann. Aber plötzlich auch tropfnass - insgesamt ideal für die Bärtierchen.

Die Wasserfilm-Nachbarn in den hier, quasi im Braunen, sporadisch anzutreffenden Feuchtezonen - Nematoden, Schalenamöben, Rädertierchen - sind allesamt eher unproblematische Mitbewohner, die primär ihrem eigenen Kleinverzehr nachgehen und dabei nur selten nach links oder rechts schauen.

Massenmordende Nematoden entspringen der lebhaften Phantasie mancher Autoren - unter dem Mikroskop konnten wir bislang keine einzige Nematodenattacke auf ein Bärtierchen beobachten. Eine Amöbe könnte wohl nur einem sehr kranken, sehr alten oder vielleicht betrunkenen Bärtierchen gefährlich werden. Und die Rädertierchen sind klein, zu klein um sich an ein Bärtierchen heranzuwagen. Ganz im Gegenteil, sie werden von größeren Bärtierchen gelegentlich angefallen und dann gnadenlos ausgezuzelt.

Insgesamt sollten wir jedoch von einer eher friedlichen dreidimensionalen Weide ausgehen, auf dem sich viel kleines Leben abspielt, wobei Interaktionen aller Art die Ausnahme sind. Die Bärtierchen können hier, wegen der rauheren und stärker zerklüfteten Oberflächen gut vertikal hin- und herwandern. Zwischen den Moospflänzchen findet sich zudem allerlei leicht zu zerkleinernde und leichter aufschließbare Nahrung.


Und hier, ganz unten, im Bereich der Rhizoide wird es zu naß, zu dicht, zu sauerstoffarm, schlichtweg ungemütlich. Nur ausnahmsweise mag noch ein gangbarer Hohlraum bis zum Untergrund (meist eine Steinfläche) hinabreichen und dementsprechend nutzbar sein. In der Regel werden Sie jedoch im Bereich der Rhizoide keine Bärtierchen mehr finden.



Bei der direkten mikroskopischen Betrachtung eines trockenen Moospolsters von oben, mit Blick auf die Glashaare oder die grüne Zone, werden Sie somit normalerweise keine Bärtierchen sehen. Und wenn doch, dann wäre es ein Indiz für eine ingesamt sehr starke Besiedelung oder eine vorherige Krisensituation, bei der die unternehmungslustigsten Bärtierchen keine Zeit mehr hatten, in sichere Gefilde zurückzukehren.

Für eine direkte Betrachtung der Bärtierchen im Trockenzustand auf dem Moos sollten Sie deshalb ein Moospolster mittig zertrennen und vorrangig die braune Zone betrachten. Und, wie bereits früher berichtet, ist das ungemein blaustichige Licht einer alten LED-Taschenlampe hier von immensem Vorteil, weil es manche "Tönnchen" (Bärtierchen-Trockenstadien) regelrecht blau aufleuchten läßt:


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Ein "Tönnchen" (Echiniscus sp. Bärtierchen im Trockenstadium) im braunen Bereich eines trockenen Moospolsters. Das Stereomikroskop zeigt mit Hilfe des blaustichigen LED-Taschenlampenlichts einen markant blauen "Bärtierchen-Saphir". Ohne das LED-Helferchen erschiene das Tönnchen als unscheinbar-durchsichtige Hülle, quasi eine Art Plastiktüte, wäre dementsprechend schwer zu erkennen.



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© Text, Fotos und Filme von  Martin Mach