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Lupen für Fortgeschrittene (XIII)
Brennweitenmessung für Amateure - noch mehr Ergebnisbeispiele

Wir bleiben weiterhin im Kleinen - trotz der globalen Schräglagen, an denen wir nach wie vor nichts ändern können.
Im Juli-Journal hatten wir in diesem Sinne die Theorie einer Methode zur Brennweitenmessung von einfachen Linsen, Mikroskopobjektiven und starken Lupen abgeleitet, im August das zugehörige praktische Vorgehen bei der Messung dargestellt, dann im September und Oktober erste Ergebnisse präsentiert.

Nachdem wir im September und Oktober auf diverse, teils geradezu groteske Falschbeschriftungen hingewiesen hatten, sind diesmal die "Braven" an der Reihe, d.h. Instrumente, bei denen die Vergrößerungsangabe auf mindestens 10% genau stimmt. Bei orientierenden Messungen an älteren Optiken von Nobelherstellern (Leitz, Nikon, Zeiss ...) hatten wir bereits im Vorfeld geradezu unglaublich geringe Abweichungen zur nominellen Vergrößerung festgestellt. Erinnert sei z.B. an eine klassische, kleine schwarze Zeiss-Einschlaglupe mit einer Differenz von nur 1% (!) zwischen unserem Messergebnis und dem aufgeprägten Vergrößerungswert. Diese Differenz ist bereits derart gering, dass sie für uns streng genommen nicht mehr überprüfbar ist, weil ja auch bei unserer eigenen Messmethode mit einem Fehler in dieser Größenordnung gerechnet werden muss.

Hier folgen Beschreibungen weiterer Musterschüler - die allesamt ziemlich tapfer zum Wortlaut ihrer Beschriftungen stehen:


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Abb. 1: Eine sehr, sehr kleine 20x "FIVE ELEMEMTS"-Einschlaglupe. Echter Fünflinser.
Wohl als Anastigmat (bzw. verzeichnungsarmer Achromat) einzustufen.
Gemessene Vergrößerung: 18,4x

Anmerkungen zu Abb. 1: Diese winzige 20x Lupe hatten wir bereits vor einigen Jahren gezeigt - vor allem um zu illustrieren, dass selbstverständlich auch in Fernost-Importen absolut Solides enthalten sein kann - auch wenn die Beschriftung gelegentlich typografisch hilflos wirken mag oder, wie oben gezeigt, im Extremfall einen Rechtschreibfehler enthält.
Im deutschen Mikroskopieforum demonstrierte zudem ein Teilnehmer (vor-)bildlich, dass anscheinend auch die deutsche Firma KOSMOS in der Eile des Gefechts zeitweilig eine Serie von "Humbold"-Mikroskopen auslieferte, die selbstverständlich als "Humboldt"-Mikroskope gedacht waren.
Die 20x "FIVE ELEMEMTS"-Lupe trägt keine Herstellersignatur, kam in einer ziemlich anonymen, weißen Pappschachtel mit der Aufschrift
"ARC FORM MAGNIFIER/FIVE ELEMENTS (sic!)/20x-12 mm/NO.A-77"
- was wohl auf einen polyglotteren Weiterverkäufer im Westen schließen lässt. Als Vergrößerung konnten wir einen Wert von 18,4x ermitteln. Dieser liegt somit innerhalb der von uns favorisierten Fehlertoleranz von maximal 10%. Das innewohnende optische System überrascht: Es besteht aus zwei (!) verkitteten und vergüteten Dubletts, die eine zentrale Bikonvexlinse symmetrisch (und durch Abstandsringe getrennt) umschließen.
Aber Vorsicht: Leider kursieren im Internet reichlich viele und sehr preiswerte Lupen, die fälschlich als "FIVE ELEMEMTS"-Systeme gekennzeichnet sind, jedoch lediglich ein einziges optisches Element enthalten (eine einfache Zylinder-Einzellinse).
Gewicht 18,14 g, Gehäuselänge samt Öse im geschlossenen Zustand knapp 2,6 cm, Gehäusehöhe 1,6 cm.
Nutzerbeurteilung: Eine der kleinsten Lupen, die wir kennen. Knackescharfes Bild ohne Farbfehler. Das Gesichtsfeld fällt erwartungsgemäß klein aus. Ähnlich wie andere 20x Lupen mit geradem Zylinderkopf ist auch diese bei schlechtem Licht nur eingeschränkt einsetzbar und nur in der Hand eines Spezialisten mit klaren Zielvorstellungen wirklich nutzbar. Im praktischen Vergleich mit etwas einfacher gebauten Steinheil-Triplett-Lupen konnten wir keinen offensichtlichen Vorteil für den Fünflinser verbuchen.


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Abb. 2: Die 20x "FIVE ELEMEMTS" hatte übrigens zu ihrer Entstehungszeit noch ein selteneres, güldenes Geschwisterchen - mit ebenfalls ehrlich fünflinsigem Innenleben. Angesichts der vielen mittlerweile aufgetauchten einlinsigen "Fünflinser" haben wir es hier mit einem Fall von echt goldigem Schreibfehler-Understatement zu tun!



Schauen wir nun - quasi zur Ernüchterung - auf ein völlig unvergoldetes, vorbildlich neutrales Arbeitsgerät der Firma Zeiss:

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Abb. 3: Eine Zeiss 10x Stiellupe mit Ringhalterstiel. Gemessene Vergrößerung 9,98x (!)

Anmerkungen zu Abb. 3: Ein universell, z.B. auch an alten Präpariermikroskopen nutzbarer Lupenkopf. Die Vergrößerung stimmt, wie übrigens bei allen bisher von uns gemessenen Lupen der Fa. Zeiss, geradezu traumhaft exakt. Das bildgebende System besteht aus einem klassischen, verkitteten Dublett mit vorbildlich schwarzer Randlackierung - ein zweilinsiger Achromat. Durchmesser des Lupenkopfes in der Ringfassung 23,9 mm. Gewicht des Lupenkopfes 34,6 g, samt Halterung und Stiel 61,7 g. Gesamtlänge mit Stiel ca. 16 cm.
Nutzerbeurteilung: Es handelt sich um ein einwandfrei zweckdienliches Laborinstrument mit praxisgerecht geschwärzter und vertiefter Einblicköffnung. Relativ kleines Bildfeld (1,5 cm) mit exzellenter Bildqualität, ohne erkennbare Farbränder. Es handelt sich demnach nicht gerade um ein Weitwinkelsystem und der Glamourfaktor fällt naturgemäß gering aus ;-)



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Abb. 4: Die Betamag - ein klasse Produkt mit ehrlicher Vergrößerung.
Gemessen haben wir eine glatte 20 - Zwanzig-Komma-Null (!)

Anmerkungen zu Abb. 4: Die Betamag repräsentiert einen Lupen-Sondertypus, nämlich eine einklappbare und mittels Schraubgewinde fokussierbare Lupe, vorzugsweise zum Aufsetzen auf plane Systeme wie z.B. Druckfahnen. Die vergütete Optik besteht aus einem dreilinsigen, achromatischen System guter Planarität (verkittetes Dublett in Kombination mit einer Einfachlinse).
Gemessene Vergrößerung unseres Exemplars: 20,0x.
Gehäuselänge 5,6 cm, Gewicht 90,45 g.
Nutzerbeurteilung: Die Betamag ist vielseitig nutzbar, kann bei kleinen Objekten oder auf einem Leuchtpult eingesetzt gelegentlich sogar ein Stereomikroskop ersetzen. Der Lupenkopf kann auch separat, ohne das Gehäuse eingesetzt werden. Optik, Verarbeitung und Ergonomie sind Spitze. Allerdings besteht der gleiche Lichtengpass wie bei anderen 20x-Lupen ohne eingebaute Beleuchtung.



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Abb. 5: Ein Oldie, wohl aus den 1950ern, aber nicht so ohne - die "Zirkel K" 16x Lupe.
Gemessene Vergrößerung: absolut honorige 15,7x

Anmerkungen zu Abb. 5: Die Zirkel K Lupe ist mit einer Gehäuselänge von 3,6 cm sehr klein und mit ihren 5,24 g Gewicht auch rekordverdächtig leicht. Das optische System besteht aus zwei mittels Zylinderring auf Abstand gehaltenen Einfachlinsen (üblicherweise als Aplanat bezeichnet). Als Vergrößerung ermittelten wir einen Wert von 15,7x.
Nutzerbeurteilung: Das Bild kann wegen der einfachen Optik nicht sonderlich weitwinklig und farbrein sein. Es erscheint jedoch trotzdem klar und ist deshalb durchaus nutzbar. Besonders wegen ihrer Kleinheit und angenehmen Haptik gefällt uns die Zirkel K-Lupe ausgesprochen gut. Nota bene: Bakelit fühlt sich sehr viel angenehmer an als so manches kaltes Metall!



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Abb. 6: Eine 20x 6LED Lupe aus Fernost. Gemessene Vergrößerung: 18x.

Anmerkungen zu Abb. 6: Diese 20x LED Lupe hatten wir bereits in einem früheren Journal vorgestellt, konnten damals allerdings noch keine Messungen druchführen. Mit einem Vergrößerungswert von 18 zählt auch diese Lupe zu den ehrlicheren Exemplaren ihrer Gattung. Sie lässt sich für einigermaßen plane Vorlagen mittels Schraubgewinde fokussieren, wobei der Anwender obendrein in den Genuss einer schattenfreien 6LED-Ringbeleuchtung kommt. Der Optikkopf kann jedoch auch separat, dann allerdings ohne Beleuchtung, eingesetzt werden. Das optische System ist dreilinsig-achromatisch, besteht aus einem verkitteten Dublett plus einer auf Abstand gesetzten Bikonvexlinse. Die sichtbaren Außenflächen der Linsen sind blau vergütet. Gehäuselänge 5,22 cm, Gewicht knapp 30 g.
Nutzerbeurteilung: Diese Lupe zeichnet klar und farbrein. Wie auch bei anderen 6LED-Lupen erhöht sich der praktische Nutzwert durch die eingebaute Beleuchtung erheblich. Mit in der Packung befand sich eine Anleitung, die sogar den ON/OFF-Knopf erklärt - was man wahlweise mit Rührung oder humorvollem Augenzwinkern verbuchen darf. Qualität der Optik und Verarbeitung überzeugen, während der silbrige Kunststoff des Batterieturms vergleichsweise minderwertig anmutet. Nicht zuletzt angesichts der im Internet geforderten, teils geradezu lachhaft niedrigen Preise lässt sich jedoch konstatieren, dass man ein vergleichbares Preis-Qualitätsverhältnis andernorts wohl kaum jemals finden wird.



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Abb. 7: Ein Klassiker - die BelOMO 10fach Lupe "Made in Belarus" - echtes Triplett!
Gemessene Vergrößerung: knapp 8,9x.

Anmerkungen zu Abb. 7: BelOMO-Lupen sind auch unter Mikroskopie-Amateuren weit verbreitet. Dies könnte unter anderem damit zusammenhängen, dass der typische Mikroskopiker nun mal älteren Semesters ist und diese Lupe nach dem Ende der Sowjetunion auf einem der vielen "Russenflohmärkte" mordsmäßig kostenbewusst, um nicht zu sagen: schwarzmarktmäßig-preiswert erworben haben könnte (bitte nicht böse sein!).
Auch wenn das "Made in Belarus" angesichts der aktuellen politischen Verhältnisse einen bitteren Beigeschmack erzeugen mag, wirkt die enthaltene Optik absolut honorig-solide. Der Vergrößerungswert liegt zwar nicht so ganz perfekt im Zielbereich wie bei den knallhart ernsthaften teutonischen Produkten, hält sich jedoch mit ca. 10% Abweichung nach unten durchaus noch im Bereich des Erträglichen. Verbaut ist ein echter verkitteter Dreilinser ("Steinheil-Triplett"), der für ein farbreines und völlig klares Bild sorgt. Im eingeklappten Zustand ist das voll metallische Gehäuse 3,6 cm lang und - wie bei den meisten größeren Tripletts - mit 2,5 cm ziemlich hoch, knapp 41 g schwer. Das nutzbare Bildfeld erscheint, dank der ca. 2,3 cm Durchmesser, angenehm weit.
Nutzerbeurteilung: Die BelOMO wird von ihren Besitzern geliebt, manchmal fast schon vergöttert. Und sie hat durchaus ihre Vorzüge: Die Bildqualität empfinden wir als makellos und sie liegt solide in der Hand. Allerdings neigt sie zum ungefragt-autonomen Selbstausklappen. Auch zeigen die vier Schräubchen unseres Exemplars - wohlgemerkt frei von Belarus-Irone - eine deutliche Tendenz zum Auswandern, weshalb wir hier ein paar solide Nieten sehr viel besser fänden. Es sind halt auch sehr bescheidene Eisenschräubchen, die außerhalb der Wohnzimmerumgebung allmählich zu rosten anfangen. Dieser mikroskopisch kleine Rostbefall erfreut dann möglicherweise den Theoretiker (Potentialdifferenz zwischen Eisenschraube und andersartigem metallischem Grundmaterial - endlich mal augenfällig!), schmerzt jedoch den erfahrungsgemäß zum kleinteiligen Mäkeln aufgelegten Mikroskopiker. Freunde der klassischen schwarzen ZEISS-Einschlaglupen mit ihren gesalzenen Handelspreisen können an dieser Stelle überlegen-luxuslächelnd auf handschmeichelndes Bakelit und (meist) jahrzehntelang stabile Vernietungen verweisen. Woran man wieder einmal sieht, dass unsere Welt auf feinteilige soziale Abstufungen gegründet ist.
Das schwarze Gehäuse der BelOMO wirkt im Zweifel weniger reflexanfällig als eines mit feschem Chrom oder gar Gold - und sei deshalb hier als Pluspunkt verbucht. Wer allerdings Lupen mit eingebauter LED-Ringbeleuchtung gewohnt ist, wird auch mit der BelOMO gelegentlich im Dunkeln tappen. Aber so ist das eben nun mal bei der Liebe zu einem Gerät, das anscheinend immer noch hergestellt wird, jedoch in seinen Wurzeln aus ferner Vergangenheit stammt. Damals hätte wohl kaum ein Deutscher die Ukraine, geschweige denn ein Land namens Belarus auf der Landkarte einzeichnen können!



Resümee:
Praktisch jeder Anwender arbeitet anders und sieht anders. Manche Zeitgenossen wollen lediglich ein wenig spielen oder staunen und sind dann bereits zufrieden, wenn ein Druckfarbspritzer einigermaßen scharf und mordsmäßig stark vergrößert dargestellt wird. Bei anderen hingegen stehen das Erkennen winziger taxonomischer Details, ein großes Sehfeld (zum schnellen Finden der jeweiligen Objektdetails) oder die Ergonomie im Vordergrund. Last but not least gibt es auch Leute, die bereits mit einer 10x Steinlupe hoffnungslos überfordert, jedoch mit einer 3x Leselupe vollkommen glücklich sind.

Eine allgemeingültige Lupenempfehlung - und sei sie auch nur für den Hausgebrauch, allgemeine Naturbeobachtung, Reparaturen oder Hobby - ist deshalb leider nicht möglich. Bei den achromatischen Mehrlinsern erscheint es uns zudem müßig, weitergehende Bildqualitätsvergleiche anzustellen, weil in den meisten Fällen die Lupe über das gesamte Bildfeld hinweg schärfer zeichnen dürfte als das Auge des Betrachters.

Wir verwenden zum schnellen Hinschauen eine alte 3x Steinheil-Lupe mit sehr großem Gesichtsfeld und Korrektions-Overkill: Das dort verbaute Triplett ist bei derart geringer Vergrößerung Luxus, verschafft jedoch ein immenses Sehvergnügen. Als tägliches Arbeitspferd kommt zusätzlich die, hier im Journal ebenfalls und bereits mehrfach vorgestellte 6LED 10x-Lupe zum Einsatz. Teurere und seltene, hochvergrößernde Systeme wie die Winkler&Wagner-Lupe bestaunen wir zwar regelmäßig, müssen jedoch einräumen, dass wir mit der 10x Lupe in 98% aller Fälle dann eben doch besser bedient sind.

Nicht begeistert sind wir nach wie vor von den hierzulande angebotenen 6LED 10x-Lupen, bei denen die Leistung des Zwischenhändlers lediglich im Import und der Verdreifachung des Einkaufspreises besteht. Diese Kritik gilt übrigens verstärkt auch für leicht erkennbare "Triplet"-Fälschungen, die schlimmstenfalls von vorgeblichen Fachhändlern und ohne jegliche Berichtigung an ahnungslose Kunden weitergereicht werden.



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© Text, Fotos und Filme von  Martin Mach