Das Bärtierchen-Journal
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Mehr Tiefe!

Keine Sorge, diese Forderung betrifft nicht das intellektuelle Niveau des Bärtierchen-Journals. Die Welt ist schon ernst genug.
Angesichts neuer Software-Entwicklungen wollen wir uns jedoch mal wieder mit der Schärfentiefe unserer mikroskopischen Aufnahmen befassen.


[ Tardigrada, Bärtierchen; Schärfentiefe ]

Echiniscus-Bärtierchen. Sobald wir eine auch nur ein wenig schräge Perspektive wählen, versinkt ein Teil des Tiers in der Unschärfe.
Trotzdem kann die hier gezeigte Aufnahme gerade noch als gelungen angesehen werden, weil sie die Stilette, die Speiseröhre und ein Auge gleichzeitig einigermaßen scharf abbildet, was über die Verluste bei den vordersten und hintersten Krallen ein wenig hinwegtröstet.


"Auto-Montage", ein kommerzielles Computer-Programm, erlaubt die komfortable und in manchen Fällen sogar vollautomatische Montage eines ganzen Stapels unterschiedlicher Fokus-Ebenen. Der Benutzer fokussiert das Objekt im Mikroskop nach und nach, z. B. von unten nach oben, mit Hilfe des Feinfokussiertriebes durch. In möglichst vielen Schärfeeinstellungen wird hierbei ein Foto aufgenommen. So entsteht ein "Stapel" Fotos, welche sich lediglich durch die Einstellung der Optik in der z-Achse (Tiefenachse) unterscheiden.
AutoMontage sucht sich nun aus jedem Einzelbild dieses Stapels die schärfsten Bereiche heraus und versucht, sie zu einem Ergebnis zu montieren.
Leider kann sogar diese Software nicht alle Probleme 100%ig lösen, nicht etwa weil sie mangelhaft wäre, sondern unter anderem deshalb, weil die Bildinformation an ein und derselben Stelle mehrdeutig sein kann: Die Wulste des unten abgebildeten Bärtierchen-Tönnchens z.B. haben in den unterschiedlichen Fokus-Ebenen unterschiedliche Breiten. Es ist deshalb für die Software schwer, klare Grenzlinien der Wulste zu definieren. Es kann auch sein, daß Bereiche aus zwei oder mehr unterschiedlichen Fokus-Ebenen Bildinformationen enthalten, welche allesamt im Ergebnis enthalten sein sollen: z.B. die tief im Inneren liegende Speiseröhre und die einige Fokus-Ebenen höher, an gleicher Stelle liegende Feinstruktur der Außenwand. Es ist insofern nicht immer damit getan, daß sich das Programm für eine einzige Fokus-Ebene entscheidet. Andererseits kann das Bild trübe werden, wenn zu viele Informationen überlagert werden.
Die Abbildung unten konnte wegen dieser Probleme nicht vollautomatisch generiert werden. Sie entstand völlig anders, nämlich durch willkürliches Zusammensetzen scharfer Bildbestandteile aus den einzelnen Fokus-Ebenen, quasi von Hand, wenn auch mit Computer-Unterstützung.


[ Tardigrada, Bärtierchen; "Tönnchen"]

Eutardigraden-"Tönnchen" (Bärtierchen-Trockenform), formatfüllend, von oben gesehen.
Das Tönnchen ist 155 Mikrometer lang und etwa 40 Mikrometer hoch.
In den einzelnen Fokus-Ebenen wurden scharfe Bereiche willkürlich selektiv ausgewählt und mit Hilfe eines Standard-Bildverarbeitungsprogrammes (Micrografx "PicturePublisher") montiert.


Schauen Sie sich doch ein wenig im Internet um! Sie werden neben dem Programm "AutoMontage" noch auf die ebenfalls recht leistungsfähige Freeware "CombineZ" bzw. die Shareware "Astrostack" stoßen, welche allesamt in der Lage sind, mikroskopische Fokus-Ebenen-Stapel zu Bildern zu montieren, von denen man noch vor 20 Jahren gesagt hätte, sie seien physikalisch unmöglich.


[ Tardigrada, Bärtierchen; CombineZ ]

Echiniscus-Bärtierchen mit Hilfe des Freeware-Programmes "CombineZ" tiefenscharf abgebildet.


[ Tardigrada, Bärtierchen; CombineZ ]

Echiniscus-Bärtierchen, mit Hilfe von "CombineZ" frontal abgebildet. Unter den üblichen Aufnahmebedingungen wäre entweder die Nasenspitze oder das vorderste Krallenpaar scharf ...


Ach ja, und dann soll es da noch eine Hochgeschwindigkeits-Video-Kamera geben, welche  pro Sekunde  25 Fokus-Ebenenstapel aus insgesamt ca. 1.000 Einzelaufnahmen zu extrem tiefenscharfen "worm films" zusammenbaut. Vielleicht haben Sie ja vom Urlaub noch ein wenig Geld übrig?


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© Text und Fotos von  Martin Mach