Kleine Gerätschaften für unterwegs: Handlupen (I) Schon vor einigen Jahren, genauer gesagt im Juni 2002
haben wir uns Mikroskope angeschaut, welche für die Betrachtung von Tardigraden
an einem häuslichen Arbeitsplatz in hoffentlich friedlicher Umgebung geeignet sind.
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Wie schon angedeutet, fühlt sich auch der Mikroskopiker
ohne sein Reisemikroskop, Kleinmikroskop oder Taschenmikroskop einfach unvollkommen
und unglücklich. Antoni van Leeuwenhoek, holländischer Amateurmikroskopiker (1632 - 1723)
war, auch in punkto Miniaturisierung und Mobilität seiner Zeit weit voraus
und benutzte so viele Taschenmikroskope, daß bis heute umstritten ist,
ob er ein überhaupt ein reguläres Arbeitsplatzmikroskop hatte. |
Aber nun mal ganz im Ernst: Welche Gerätschaften eignen sich
für die Bärtierchenforschung im Urlaub? Klein sollen sie jedenfalls sein.
Wie wäre es mit einer Lupe? |
Vergrößerung durch Annäherung. Die Lupen erlauben uns, den
minimalen Akkommodationsabstand des Auges zu unterschreiten.
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Als Beschriftung findet sich auf den Lupen meist eine Zahlenangabe zur
Vergrößerung (z.B. 27x, 20x, 15 x, 10x, 8x, 6x) bzw. bei stapelbaren
Linsen zur Vergrößerung der Einzellinsen sowie der Gesamtvergrößerung.
Danach folgt häufig eine zweite Zahl, welche sich auf den, nicht immer voll nutzbaren,
Linsendurchmesser in mm bezieht. Manche Beschriftungen enthalten zusätzlich
Herstellername, Herstellerlogo, die Korrektionsklasse (z.B. "Anastigmat")
sowie Hinweise auf die Bauart ("Triplet", "Doublet") bzw. die
Zahl der Linsen ("Five elements"), das Herstellungsland, den Firmenstandort
und diverse andere Informationen (z.B. "hartgoldplattiert").
In wenigen Fällen wird statt der Vergrößerung die Brennweite
angegeben (z.B. "f = 3,5 cm"), das klingt dann gleich ein wenig
wissenschaftlicher. |
Die Variationsbreite handelsüblicher Lupen ist ungeheuer, insbesondere wenn man ältere Produkte mit berücksichtigt. Wir zeigen im folgenden eine kleine Auswahl an Bildern und nutzen sie, um die Wesensmerkmale der Lupe ein wenig deutlicher herauszuarbeiten: |
Farbige Lupen mit Kunststoff-Fassungen. Links eine türkise Einschlaglupe aus Taiwan mit drei gleichen Plastiklinsen von jeweils 5facher Vergrößerung (in Kombination also auch 10x bzw. maximal 15x vergrößernd). Länge 6 cm. Schönes Beispiel für modernes Retro-Design (vgl. alte Lupe oben im nächsten Bild!). In der Mitte eine gelbe, 10fach vergrößernde Klapplupe mit fixiertem Arbeitsabstand und skaliertem Meßfenster (Typus des zusammenlegbaren Fadenzählers). Glaslinse, mit Messingring gefaßt. Rechts eine blaue Einschlaglupe "Waltex, Great Wall, Model 7534", aus China mit zwei unterschiedlichen Kunststofflinsen (4x und 6x, d.h. maximal 10fach). |
Oben: sehr alte Einschlaglupe (ab ca. 1880) aus Horn mit drei unterschiedlichen und unterschiedlich kombinierbaren Linsen und Griffschalenbohrungen. Maximalvergrößerung ca. 20 fach, Länge 6 cm. Links vorne im Bild: sehr alter, kleiner Fadenzähler aus Messing, Brennweite 2 cm, d.h. 12,5 fach vergrößernd; in Kleinserientechnik gesägt und handgefeilt, goldfarben lackiert, mit schwarzer Objektfeldbegrenzung. Rechts vorne: winzige, jedoch durchaus funktionsfähige und brauchbare 20x Stiellupe aus Kunststoff (42 mm x 12 mm x 12 mm, zwei separate Glaslinsen mit ca. 8 mm nutzbarer Öffnung). |
Klassische 10fach Lupe, um 1970, verchromt. Design aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg. Optisches System aus zwei separaten Linsen (Doublett), einer plan-konvexen und einer bikonvexen Linse. 50 mm x 30 mm x 22,5 mm. Ein derartiges System wird häufig als Aplanat bezeichnet, weil zwei separate Linsen im Vergleich zu einer (dickeren) Einzellinse die sphärische Aberration besser ausbalancieren können. Freier Durchmesser der Frontlinse 20 mm. |
Üppig dekorierte Cloisonné-Einschlaglupe unbekannten Alters.
Bikonvexe Einzellinse mit 30 mm Durchmesser, 6fach vergrößernd.
Verhältnismäßig groß (6 cm x 3,5 cm) und schwer (64 g).
Schönes Beispiel für eine harmonische Verschmelzung östlicher
und westlicher Kulturelemente: überlegene, asiatische
Dekorationstechnik mit aufwendiger floraler Randdekoration und detailliert
dargestellten Kranichen (rote Hauben, grüne Schnäbel!).
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Carl Zeiss Jena Handlupe mit sich leicht konisch nach außen verbreiterndem Handgriff. Gesamtlänge knapp 15 cm. Ausgeprägt asymmetrische, nach oben stark gekrümmte Bikonvex-Einzellinse aus Glas mit 3,5 cm Brennweite, d. h. etwa 7facher Vergrößerung. Linsendurchmesser ca. 32 mm. Vorkriegsmodell aus Kunststoff, Glas und und Metall. Relativ selten anzutreffende Übergangsstufe zwischen der klassischen, schwächer vergrößernden Stiel-Leselupe und den verbreiteteren Einschlaglupen für Mineralogen und Botaniker. Wohnt in einer edlen, innen und außen tiefschwarzen Sargbox, gestützt und umsorgt durch eine paßgenaue Holzaufnahme samt Textilfederung. |
Kleine Zeiss-Einschlaglupe in Kunststoffgehäuse (8fach).
Zur Entstehungszeit (30er Jahre) "moderne Bauform", die auch heute noch
fast unverändert produziert wird. Gehäuselänge 3,5 cm.
Freie Öffnung ca. 12 mm.
Davor das zugehörige verkittete Doublett-Linsensystem.
Dieses behebt die gravierendsten Farbfehler, es wirkt als Achromat.
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Im Gegensatz zu isolierten Einzellinsen sind verkittete Systeme nur schwer als solche identifizierbar. Erst beim Anschleifen der oben abgebildeten Zeiss-Lupenoptik mit dem verkitteten Doublett zeigt sich die Grenzlinie zwischen den beiden Linsen: |
Anschliff eines verkitteten Doubletts.
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Der Klassiker: echtes Triplett vom Steinheil-Typus (siehe unten), 10x, Linsendurchmesser 22 mm, "Made in Belarus". Schauen Sie ruhig mal auf der Landkarte nach! Einer unserer Favoriten. Auf dem Foto sind eine von zwei vorhandenen Verkittungsfugen sowie die haubenartige Umschließung der zentralen Linse durch die beidseitig aufgeleimten Randmenisken gut zu erkennen. Einziger Nachteil: die kleinen Schrauben, welche die Fassung zusammenhalten, zeigen eine ausgeprägte Tendenz zur Freiheitsliebe. Sie flüchten jedoch erfreulicherweise so langsam, daß wir sie auf halber Strecke, im doppelten Wortsinne locker, einfangen können. |
Steinheil-Triplett (schematisch). Symmetrischer Aufbau aus drei miteinander verkitteten Linsen. Im Zentrum eine bikonvexe Linse aus niedrigbrechendem Kronglas (Normalglas), links und rechts zwei meniskusförmige Linsen aus hochbrechendem Flintglas (Bleiglas). Relativ hoher Fertigungsaufwand, hervorragende Bildqualität. |
Bevor Sie nun loslegen und bei Ebay flugs eine der vielen Lupen erwerben,
auf welchen das vielversprechende Wort "Triplet" geschrieben steht, möchten wir
Sie auf einen unerfreulichen Begleiteffekt der Globalisierung hinweisen:
Viele "Triplet"-Lupen heißen ganz einfach nur so, quasi wie ein
Auto den Namen eines Südwinds tragen kann, jedoch mit diesem nicht enger verwandt
sein muß. Diese Lupen enthalten leider kein dreilinsiges, echtes Triplett-Linsensystem,
sondern typischerweise als einziges optisches Element einen massiven Glaszylinder,
welcher an Ober- und Unterseite konvex geschliffen ist.
Man kann mit ihnen durchaus die Beine einer Blattlaus zählen und sie auch auf
eine botanische Exkursion mitnehmen. Die Abbildungsqualität in der Mitte
des Gesichtsfelds reicht auch sicherlich für die meisten praktischen
Anwendungen völlig aus. |
Mogelpackung: ein einzelnes Glasstück (demontiert, rechts) anstatt der fünf angegebenen optischen Elemente des 20x Systems ("FIVE ELEMEMTS"). Doppeleinschlaglupe, 10x und 20x, Gehäuselänge 52 mm, in Kunststoffbox verpackt. Sehr billig, bei Ebay. |
Und jetzt raten Sie mal, wieviele Elemente die gleichartig orthographisch
falsch etikettierte Einschlaglupe im Bild unten links enthält. Eines? |
Links: hoch korrigierte, verchromte Lupe mit fünf optischen Elementen (Anastigmat, 20 fach).
Auffällig klein, 23 mm x 16 mm x 16 mm. Makellose Verchromung, Lederfutteral.
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Als Testobjekt für Lupen eignet sich übrigens hervorragend schwarzer Text auf weißem Grund. Die gut farbkorrigierten Systeme zeichnen auch im äußeren Drittel des Gesichtsfelds noch scharf und zeigen praktisch keine Farbsäume. Schlechte Lupen hingegen verraten sich bei diesem Test insbesondere durch breite gelbe, manchmal sogar mehrfarbige, gelbe und zusätzlich rote Farbränder an den außen liegenden Buchstabenkanten. |
Originell gefaßte 10fach Lupe "Liberty #42.02", erworben bei Ebay. Linsendurchmesser 18 mm. Kam als Zwiebel mit bedruckter Karton-Außenbox, darauf ausgewiesen als "EXPORT QUALITY", eingewickelt in kunstvoll bedrucktem LIBERTY-Seidenpapier, mit goldfarbenem Siegelaufkleber "Made in India" und schönem, schwarzen Druckknopf-Etui. Bei einem derart edlen Finish wagen wir nicht mehr zu fragen, ob nun wirklich ein Triplett drin ist ;-) schließlich erwarten wir bei Schmuckstücken normalerweise auch keine besondere optische Qualität, das wäre doch wirklich kleinkariert und unfair! |
Noch ein typisches Internet-Angebot: die "ZIESS GOLD, GERMANY, 15 x, SERIES M" kommt per Post aus Thailand (Honni soit qui mal y pense). Die Aufbewahrungstasche jedenfalls ist mit Sicherheit keine illegitime Kopie eines deutschen Markenprodukts. |
Was bei einer Lupe im Zweifel übrigens nicht
farbig sein sollte: Das Glas!
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Die Verkäufer der Lupen haben zum Teil eine eigene Sprache entwickelt,
ähnlich wie die Verkäufer an Obstständen, welche ebenfalls nicht
direkt zugängliche sensorische Qualitäten bewerben müssen
("mundreif und vollsaftig").
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© Text und Fotos von Martin Mach |